Zu Besuch im Dorf der Hoffnung

Nach einer langen und schwierigen Vergangenheit befindet sich das kleine kolumbianische Dorf Bocas del Carare nun auf seinem ganz eigenen Weg in die Zukunft – grün, modern und im Einklang mit der Natur.

Zu Besuch im Dorf der Hoffnung

Die Grünfilteranlage hat alles verändert

Jeden Morgen um sechs Uhr tritt Alfredo Palacios seine Arbeit an. Früher war er Fischer. Jetzt ist der 47-Jährige für die Instandhaltung der Grünfilteranlage in seinem Heimatdorf Bocas del Carare zuständig. „Meine Arbeit gibt mir ein gutes Gefühl. Und wenn man eine Arbeit verrichtet, die einem gefällt, tut man sie immer mit Liebe.“ Für Alfredo symbolisiert die Filteranlage die Verwandlung, die Bocas del Carare durchlaufen hat. „Dieser Ort hat sich sehr verändert“, resümiert der Vater von fünf Kindern. In Kolumbien herrschte viele Jahrzehnte Bürgerkrieg. Besonders in den Achtzigern und Neunzigern gab es landesweit unzählige gewaltsame Konflikte. Damals haben paramilitärische Gruppen die Gegend terrorisiert und die Einwohner gewaltsam aus dem Dorf vertrieben. „Aber jetzt ist es, Gott sei Dank, sehr ruhig“, freut sich Alfredo, der damals selbst Hals über Kopf fliehen musste, aber später wieder zurückkehrte.

Die Grünfilteranlage reinigt das Abwasser des Dorfs, bevor es in den längsten Fluss Kolumbiens, den 1'528 Kilometer langen Río Magdalena, geleitet wird. Das abgeschiedene Fischerdorf liegt im Nordosten des Landes im Bezirk Santander und ist nur einer von fünf Orten im Land, die eine solche Anlage besitzen. Bevor das System installiert wurde, landete das Schmutzwasser aus Häusern, Läden, dem örtlichen Restaurant und den beiden Hotels ungefiltert im Fluss. Dadurch wurde das Wasser stark verschmutzt und den vielen Fischern im Dorf ihre Lebensgrundlage entzogen, weil die Fische immer ungeniessbarer wurden.

Alfredo Palacios

Sauberes Wasser durch Pflanzenkraft


Mehr Lebensqualität für Mensch und Tier

Hilfe zur Selbsthilfe

Hilfe zur Selbsthilfe

2016 schloss sich die in Bogotá ansässige Nichtregierungsorganisation Fundación Humedales mit dem Global Nature Fund zusammen, um das Problem zu lösen. Mit finanzieller Unterstützung von Kärcher, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem Schweizer Unternehmen Sika installierten sie ein bemerkenswert simples System, um Bocas del Carare zu helfen.

Anstelle von Chemikalien nutzt die sonnenbetriebene, 1'600 Quadratmeter grosse Anlage Pflanzen zur Behandlung des Abwassers – mit einer denkbar einfachen Funktionsweise: Die Gemeinde leitet ihr Abwasser in die Grünfilteranlage, bis es die Vorbehandlung erreicht. Zunächst werden grobe Teile herausgefiltert und die Fliessgeschwindigkeit verringert. Auch Öle und Fette werden in der ersten Stufe abgeschieden. Das Wasser landet im Anschluss in offenen Kanälen, die mit Wasserhyazinthen gefüllt sind. In den seichten und schmalen Kanälen umfliesst das Wasser das Wurzelwerk der Pflanzen und wird durch das Zusammenspiel von Mikroorganismen und Wurzeln gereinigt. Aus einem Revisionsbehälter können Wasserproben entnommen werden, um die Qualität zu prüfen. Das Wasser fliesst schliesslich wieder zurück in den Río Magdalena.

Neuer Lebensraum für Flora und Fauna

Neuer Lebensraum für Flora und Fauna

Wenn das Wasser wieder in den natürlichen Kreislauf geht, ist es zu 95 Prozent sauber. „Von der Filteranlage profitiert besonders auch die lokale Tierwelt“, erklärt Alfredo. „Mittlerweile tummeln sich viele Vogel- und Insektenarten bei der Grünfilteranlage, die vorher nicht da waren.“ Im Spätsommer 2019 hat es sich sogar ein kleiner Kaiman im seichten Wasser der Grünfilteranlage bequem gemacht.

Die Anwohner hoffen, dass weitere Tierarten folgen werden und sich rund um den Grünfilter ein eigenes Ökosystem entwickelt, das auch stark gefährdeten Lebewesen eine neue Heimat bietet. „Schon jetzt kommen regelmässig Zoologen ins Dorf. Auch Studenten aus Frankreich und Spanien waren bereits hier, um die hiesige Tier- und Pflanzenwelt zu erforschen.“ Alfredo wünscht sich noch mehr Besucher. „Die Grünfilteranlage hat unsere Lebensqualität enorm verbessert. Wir können nun voller Hoffnung auf unsere Zukunft blicken.“


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