„In der Denkmalpflege gibt es keine Reinigung nur aus ästhetischen Gründen.“

Denkmäler sind ein wichtiger Teil der kulturellen Identität einer Gesellschaft. Bei ihrer Reinigung und Restaurierung ist Fingerspitzengefühl gefragt. Egal ob Statue, Prunkschloss oder grauer Betonklotz – über den Wert eines Denkmals entscheidet mehr als die Optik. Ein Expertengespräch zur Denkmalpflege.

Expertengespräch Denkmalpflege

Expertengespräch zur Denkmalpflege

In der Nachhaltigkeitsstrategie 2025 hat sich Kärcher zum Ziel gesetzt, das gesellschaftliche Engagement auf das Thema Werterhalt zu konzentrieren. Ein Bereich, in dem das bereits seit vielen Jahren gelingt, ist das Kultursponsoring. Bei der Reinigung von Denkmälern und Gebäuden geht es im Kern darum, den Wert dieser zu erhalten, sei es den materiellen oder vor allem den kulturellen Wert. Aber was genau ist der kulturelle Wert eines Denkmals? Wer entscheidet darüber? Und wie kann sich der Blick auf den Wert eines Denkmals verändern? Ein Gespräch mit Steinmetzmeister Michael Schrem, Architekt Klaus Lienerth und Kärcher-Reinigungsspezialist Thorsten Möwes.

Michael Schrem

Michael Schrem

Steinmetzmeister. Seit 2013 im Unternehmen, seit 2015 Vorstand der AeDis AG. Zuständig für die Restaurierung.

Klaus Lienerth

Klaus Lienerth

Freier Architekt. Seit der Gründung 2002 bei AeDis, seit 2013 Vorstand der AeDis AG. Zuständig für die Planung.

Thorsten Möwes

Thorsten Möwes

Seit 1992 bei Kärcher. Seit 2001 zuständig für die technische Umsetzung des Kultursponsorings.

AeDis ist ein Zusammenschluss von Architekten, Restauratoren und Handwerkern zur Bearbeitung bedeutender Kulturobjekte. Das Portfolio des Unternehmens reicht von der Konzeption über die Vorbereitung und Durchführung bis zu Betreuung und Instandhaltung historischer Gebäude und Denkmalen. Besonderen Wert legt AeDis auf Ökologie und Nachhaltigkeit der angewandten Bau- und Restaurierungstechniken.

Herr Lienerth, beim Begriff Denkmal haben viele zunächst Statuen oder Monumente vor Augen.

Lienerth: Personendenkmale oder Bauten, die an ein bestimmtes Ereignis erinnern, sind nur eine Art von Denkmalen. Hinzu kommen Werke, die für eine frühere Kultur Zeugnis ablegen. Das können Kunstwerke, Baudenkmale oder auch historische Ausgrabungen – sogenannte Bodendenkmale – sein. Aber nicht alles was alt ist, ist automatisch ein Denkmal. Nur wenn der Erhalt im öffentlichen Interesse ist, wird es unter Denkmalschutz gestellt.

 

Wer entscheidet, welche Denkmäler schützenswert sind?

Schrem: Es gibt umfangreiche und sehr komplizierte internationale, nationale und landesspezifische rechtliche Grundlagen zum Denkmalschutz. International gilt ein Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes, das 1972 von der Generalkonferenz der UNESCO verabschiedet wurde. Die dort festgeschriebenen Richtlinien machen genaue Angaben zur praktischen Umsetzung der Welterbekonvention.

Möwes: Die Kriterien für die Einstufung in ein Denkmal sind dabei recht unterschiedlich. Einigkeit herrscht aber darin, dass alt und schön sein nicht ausreichend ist.

Lienerth: Ein Denkmal muss Geschichte widerspiegeln und/oder für bestimmte kulturelle Bereiche von Bedeutung sein – also beispielsweise für die Kunst, für die Heimatgeschichte, den Städtebau oder die Technik. Jedes Denkmal ist Teil der Identität und der kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft – im Übrigen nicht nur die, die unter Denkmalschutz stehen. Diese Spuren der Vergangenheit gilt es zu erhalten.

Expertengespräch
Wert eines Denkmals innerhalb der Gesellschaft

Diese uneingeschränkte Wertschätzung bringt die Gesellschaft aber nicht allen Denkmälern entgegen.

Schrem: Der Wert eines Denkmals wird innerhalb der Gesellschaft häufig unterschiedlich wahrgenommen. Manche, wie beispielsweise Schlösser und Kirchen, aber auch andere historische Gebäude, sind in den Augen der meisten Menschen unumstritten wertvoll und damit erhaltenswert. Bei anderen ist der Wert für den Laien erst einmal nicht klar ersichtlich. Das gilt beispielsweise für die zunehmend in den Fokus der Denkmalpflege rückenden modernen Denkmale aus schmucklosem Beton der 1950er Jahre. Und wieder andere, häufig Personendenkmale oder solche, die an bestimmte Ereignisse erinnern, erzeugen im Laufe der Zeit verständlicherweise widerstreitende Gefühle. Da wird dann auch einmal grundsätzlich die Daseinsberechtigung eines Denkmals in Frage gestellt. Aber auch Spuren des reformatorischen Bildersturms, eine Graffiti-Besprühung oder der einsame Sockel einer gestürzten Statue sind letzten Endes Teil der Denkmalsgeschichte.

Möwes: Es gibt international auch häufig unterschiedliche Sichtweisen auf Denkmale. In Deutschland beispielsweise wird bei der Restaurierung ganz behutsam vorgegangen. Die Substanz soll möglichst originalgetreu erhalten bleiben. Also ein altes Schloss muss ein altes Schloss bleiben. Das wird etwa in Japan nicht so eng gesehen. Hier ist ein Denkmal auch dann noch wertvoll, wenn es zum Beispiel nach einer Zerstörung von Grund auf nach historischem Vorbild neu errichtet wird. In Japan geht es mehr um den Erinnerungsort. Da kann das darauf platzierte Denkmal auch eine Replika sein.

 

Wonach entscheidet sich, wie viel Originalsubstanz erhalten wird?

Lienerth: Bei unserer Arbeit müssen wir immer abwägen, was ist zu viel Eingriff und was ist noch zu vertreten. Grundsätzlich gibt es in der Denkmalpflege keine Reinigung nur aus ästhetischen Gründen. Es geht immer um den Erhalt. So kann eine komplette Rückführung in den ursprünglichen Originalzustand auf manchen Betrachter sogar schnell künstlich wirken.

Möwes: Manchmal ist zum Beispiel die Patina, also pflanzlicher Bewuchs, durchaus Teil des Gesamtensembles und wird nicht als Verunreinigung betrachtet. Denken wir nur an alte Friedhöfe, die dadurch ihren speziellen Zauber entwickeln. Wir gehen hier sehr vorsichtig vor und entfernen nur zerstörerischen Bewuchs. Gerade in solchen Fällen zahlt es sich aus, dass wir nicht mit Bioziden oder anderen aggressiven Methoden reinigen, sondern mit Wasser.

Welchen Stellenwert nimmt die Reinigung bei der Restaurierung ein?

Lienerth: Die Reinigung ist essenziell wichtig für den Erhalt. Aber bei empfindlichen Oberflächen, wie beispielsweise weichem Backstein oder Holz, bedeutet sie immer Stress für die Substanz. Auch beim Abtragen von Farbschichten, von denen es meistens viele gibt, ist Vorsicht geboten. Wir tasten uns hier über die Reinigung von Musterflächen behutsam vor.

Möwes: Wir sehen unseren Teil der Reinigung naturgemäss als einen Teil im Rahmen einer umfassenden Restaurierung an. Oft kommt unser Part allerdings zuerst, da man in vielen Fällen erst nach der Reinigung eines Objekts Schäden überhaupt erkennen kann. Trotzdem hat die Reinigung oft schon eine grosse Wirkung in der Wahrnehmung eines Objekts und kann auch zum Erhalt desselben beitragen, da die allermeisten Verschmutzungen eine schädigenden Einfluss auf die Substanz haben. 

 

Können Sie hierfür ein Beispiel geben?

Möwes: Wenn ich zum Beispiel an die Reinigung des Frankoniabrunnens in Würzburg denke, wird besonders deutlich was ich meine: Hier konnte man als Unbeteiligter aufgrund der dicken Kalkschichten auf den Figuren den Eindruck gewinnen, dass diese aus Stein sind. Erst nach dem Einsatz unserer Reinigungstechnik, mit der wir die Kalkschichten abgelöst haben, kam die Bronze wieder deutlich durch, die Figuren bekamen eine vollkommen andere Wirkung und der Brunnen wird seitdem ganz anders wahrgenommen. Und die anschliessende Restaurierung und Konservierung des Brunnens wäre auch ohne die Reinigung aufgrund der dicken Schichten nur schwerlich möglich gewesen.

Und was für ein Beispiel gibt es zum Erhalt des Monuments?

Möwes: Ein anderes schönes Beispiel sind die Memnon Kolosse in Ägypten, die wir vor einigen Jahren gereinigt haben. Durch stabile Schmutzkrusten, die sich im Laufe der Jahrhunderte gebildet hatten, waren die Kolosse durch Salzsprengungen stark gefährdet. Zum einen konnten wir die steinschädigende Schmutzschicht entfernen und damit dem weiteren Verfall der Monumente Einhalt gebieten. Und zum anderen wurden überraschenderweise sogar Reste der ursprünglichen Farbfassung entdeckt und anschliessend behutsam freigelegt, ohne sie zu beschädigen.

 

Wird ein restauriertes oder gereinigtes Denkmal in den Augen der Gesellschaft anders wahrgenommen?

Lienerth: Wenn eine Restaurierung stattfindet, rückt das Denkmal auf jeden Fall mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Wenn wir die Fassade eines historischen Gebäudes nach über 30 Jahren ändern, weil der Befund ergeben hat, dass sie ursprünglich beige und nicht gelb war, führt das zu Diskussionen. Häufig nicht nur mit Verantwortlichen der Stadt, des Denkmalschutzes oder dem Eigentümer, sondern auch mit der Öffentlichkeit. In der Denkmalpflege müssen wir viel Vermittlungsarbeit leisten. Wir müssen erklären, was wir warum tun und alle Beteiligten mitnehmen.

Möwes: Den Menschen ist der Erhalt und auch das Aussehen von Denkmalen wichtig. Das sehen wir an der Menge von Reinigungsanfragen, die wir erhalten. Das reicht vom kleinen Dorfbrunnen bis zur Christusstatue in Rio de Janeiro. Wir versuchen, allen zu helfen. Manchmal durch das Ausleihen von Geräten und manchmal, indem wir die komplette Durchführung übernehmen. Als wir zum Beispiel im Ulmer Münster die Wände des Chors mit unseren Saugern gereinigt hatten, kam unter den Staubschichten eine viel hellere und angenehmere Wandfarbe zum Vorschein, das ist den Gemeindemitgliedern und den Besuchern natürlich positiv aufgefallen. Genauso, als wir in Vietnam das Südtor (Noon Gate) der ehemaligen Kaiserstadt von einem schwarzen Belag befreit haben. Plötzlich war der rote Ziegelstein darunter wieder deutlich sichtbar.

 

Wie nehmen Sie den Stellenwert Ihrer Arbeit in der Gesellschaft wahr?

Lienerth: Glücklicherweise ist das Verständnis für die Notwendigkeit von Instandhaltung und Restaurierungen da. Es gibt kaum eine gesellschaftliche Bewegung, die Gelder für die Denkmalpflege in Frage stellt. Man ist sich darüber einig, dass es wichtig und die Aufgabe des Staates ist, Kulturerbe zu erhalten und zu pflegen.

Schrem: Hilfreich sind Veranstaltungen wie beispielsweise der ‚Tag des offenen Denkmals‘ oder ‚Jugend und Denkmal‘. Da können sich Besucher Einblick in die Denkmalpflege verschaffen und damit wächst das Verständnis für unsere Arbeit. Viel wichtiger noch: Sie lernen die Hintergründe eines Denkmals kennen, seine Geschichte. Und nur mit diesem Wissen erschliesst sich einem der Wert eines Denkmals.


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